Neutralität ist weder positiv noch negativ, sondern neutral

Werner Hager, 22.4.

Aktuell zirkuliert die Formulierung der „positiven Neutralität“ in der Frage des Verhältnisses von Staat und Religion.

Bisher galten zwei Formulierungen als einschlägig: „kooperatives Verhältnis“ und „ballancierte Trennung“. Alle diese Begriffe besagen erst einmal eine schlichte Negation: Deutschland ist kein säkularer Staat bzw. soll dies für die Autorinnen auch gar nicht sein. Die Formulierung, die dies sehr gut auf den Punkt bringt ist „hinkende Trennung von Kirche und Staat“. Diese beschriebt, dass die Säkularisierung des Staates nur sehr eingeschränkt vollzogen wurde, in sofern Deutschland ein zentrales Charakteristikum für eine moderne Gesellschaft fehlt.

Der Begriff der „positiven Neutralität“ ist dennoch sehr aussagekräftig, denn er beschreibt den Zustand in Deutschland sehr gut. Positiv besagt schließlich, dass das Bestehende bejaht wird, stammt vom lateinischen ponere (setzen). Besser lässt sich Strukturkonservativismus nicht auf den Punkt bringen. Die Bewahrung der bestehenden Vorrechte ist insofern die innere Einschränkung für Neutralität.
Als Säkulare sollten wir diesen Ansatz strikt zurückweisen: Religiöse Herrschaft wird nicht legitimer, weil sie traditionell ist. Im Gegenteil sollte traditionelle Legitimation für uns per se kein Maßstab sein.

Der Begriff des „negare“ verneint diese Legitimation, ist aber bereits im Begriff der Neutralität eingeschlossen. Dieser Begriff bedeutet die Freiheit, die Ungebundenheit, keinesfalls die Abhängigkeit von etwas Bestehendem.

Was mir persönlich nicht einleuchtet ist, warum ausgerechnet derartig konservative Argumentationen auf einer religiösen Fundierung des Staates bestehen:
Solange der Staat in einer derartigen Form mit den Religionsgemeinschaften verknüpft ist, kann er doch keinerlei Legitimation gegenüber Menschen ohne Bekenntnis behaupten. Gleichzeitig erhöht sich die Legitimation gegenüber Menschen mit religiösem Bekenntnis ebenfalls nicht.
Auch hier ist die säkulare Antwort auf das Verhältnis von Religion und Politik doch deutlich überzeugender.

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