Politischer Realismus und Säkularität

Diskussionsinput Werner Hager, London 12.08.2014

Regionale Stabilität im Nahen Osten auf der Basis von Frieden und Freiheit sind sicherlich nicht mit dschihadistischen Kräften zusammen erreichbar. Aber auch nicht jede säkulare Kraft dient diesem Ziel.

Langfristig ist dieses Ziel nur Akteuren erreichbar, die glaubhaft ein Säkulares Recht auf Basis individueller Grundrechte für Alle, unabhängig von Religions- oder Konfessionszugehörigkeit – unabhängig von Geschlecht oder Herkunft bzw. Kastenzugehörigkeit – vertreten.

Derartige politische Ziel können nur politische Parteien vertreten. Doch die Konflikte weltweit führen eher zu einer erneuten Konfessionalisierung der Politik und zu einer Politisierung der Religionen. Gerade die Debatte um den Islam zeigt, dass die Debatte über die Entkopplung von Politik und Religion viel stärker geführt werden muss. Denn erst nachdem die autonome Funktion der Politik akzeptiert wird, ist eine Friedensordnung möglich. Auch eine Friedensordnung, an der Menschen durch individuelle Grundrechte auch partizipieren können.

Der Schritt der Sozialdemokratie, mit der „Progressiven Allianz“ einen breiteren Begriff als den Sozialismus zur Basis ihrer Bündnispolitik zu erheben, ist unter dieser Betrachtung richtig: Nicht mehr der Konflikt zwischen Republik und Sozialismus, sondern der viel grundlegendere Kampf um die Rationalität und damit die Frage, ob überhaupt moderne Gesellschaften angestrebt werden, gerät wieder in das Zentrum.

In der Tradition der Bewegungen für Demokratie und Republik geht es um die klassische Frage nach bürgerlichen Gesellschaften. Diese entstehen nicht alleine aus formalen Wahlakten, sondern aus dem Entstehen eines Bewusstsein als Bürgerinnen und Bürger: Eben autonome Trägerin individueller Rechte zu sein, das eigene Leben durch Verträge mit Gleichen zu gestalten.

Säkulare brauchen Kooperationspartner. Und zwar mehr, als die wenigen grünen, liberalen, sozialdemokratischen oder kommunistischen Kräfte es hergeben, die in ihren Ländern teils auch an den aus dieser Sicht niederschwelligen Zielen arbeiten.

Brauchen wir eine Säkulare Internationale? Was wir nicht brauchen ist eine säkularistische internationale Bewegung, die die Trennung von Religionsgemeinschaften und Staaten als Ziel postuliert, es aber nicht nötig erachtet, Menschen zu erklären, warum ihre erprobte Lebenspraxis denn ablehnenswert ist.

Was wir brauchen ist eine breit getragene Debatte über die autonome Rolle der Politik und die Herstellung des Konsenses, dass nur Institutionen, die für alle verständlich sind, die Basis für eine Gesellschaft bilden können.

Wir brauchen desweiteren aber auch einen Konsens, dass Akteure, die dies nicht akzeptieren, keine Verhandlungs- oder BündnispartnerInnen sind und im Falle einer Verletzung der Grundrechte anderer diese Akteure notfalls auch mit Waffengewalt bekämpft oder zumindestens eingedämmt werden müssen.

Insofern brauchen wir einen Konsens für eine Einschränkung realistischer Bündnispolitik. Realismus, der nicht langfristig denkt, ist inakzeptabel.

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