Respekt oder Debatte? Aber Debatte worüber?

Die Aktion der Femen Josephine Witt war zweifellos erfolgreich. Wirkungsmächtig stellte sie die Macht der katholischen Kirche in Frage, ihr Abtransport durch die Domschweizer erhielt alle nur denkbare bundesweite Öffentlichkeit.

Über den Sinn, sich hier gegen einen aus dem Amt scheidenden Kardinal zu richten, der wegen seiner Rolle eh auch in innerkirchlicher Kritik steht, ist allerdings zu streiten. Zumal das Erzbistum Köln sich gerade der sehr breiten innerkirchlichen Kritik stellt. Die Infragstellung der Autorität der Kirche und ihrer Rolle in der Gesellschaft führte daher auch nicht etwa nur zur Zustimmung fortschrittlicher Organisationen, sondern auch innerhalb dieser zu Unverständnis.

Hinzu kommt der Charakter der Femen-Bewegung, der bis auf ein Manifest schriftliche Zielvorstellungen oder Forderungen fehlen. Eine Theoriebildung ist zudem nicht erkennbar. Die Femen-Bewegung scheint von der Aktionsform zu leben. Die Bewegung nimmt strafrechtliche Konsequenzen für ihre Aktionsformen in Kauf.

Ein modernes Politikverständnis, welches Moral und Recht nicht in Eins setzt, kann hiermit umgehen, ohne sich auf die (letztlich unpolitische) Forderung nach Straffreiheit zu beschränken. Allerdings kennt es auch eine Religionsfreiheit. Eine Intervention in einen Gottesdienst ist jedoch nicht nur ein Hausfriedensbruch, sondern zudem wird strafrechtlich der „Gotteslästerungsparagraphen“ (§166 StGB) getriggert, um dessen Abschaffung sich Bündnis 90 / Die Grünen bemühen. Eine Inkaufnahme strafrechtlicher Konsequenzen ist kein guter Rahmen, einen politischen Prozess hiergegen zu führen. Insofern erweisen die Femen säkularen Forderungen hier rechtspolitisch einen Bärendienst.

Fein granuliert verliert sich diese Aktion also in einer widersprüchlichen Aussage. Als massenwirksame Aktionsform spielt dies jedoch keine Rolle, wichtig ist hier nur, dass Medienaufmerksamkeit auf die Femen-Bewegung einseits, das Verhältnis von Frauen und Kirche andererseits gelenkt wurde.

Es geht also nicht darum, die Aktionsform als legal, sondern die Infragstellung der Rolle der Kirche als zentrales Moment heutiger Herrschaftsverhältnisse durch medienwirksame Aktionen für legitim oder eben illegitim zu erklären. Es ging der Femen-Aktivistin nicht darum, die Ausführung des Gottesdienstes zu unterbinden. Sie nutzte diesen als öffentlichen Raum, wie dies auch auf einer Aktionärsversammlung oder in einem Parlament geschehen könnte.

Die Femen-Aktionen können und wollen gesellschaftliche Missstände und Herrschaftsverhältnisse in die öffentliche Debatte tragen. Sie haben realisiert, dass die heutigen Medien dabei nur sehr knappe Aussagen transportieren. Sie sind dabei meinungsbildnerisch tätig und es ist Sache der politischen Großakteure und ihrer Intellektuellen, diese Impulse durch Theoriebildung zu begleiten.

Selbstkritisch müssen die Säkularen Grünen feststellen, dass jenseits der Debatte um Abtreibung das Verhältnis von Frauen und Religion bisher noch keine große Rolle im AK Säkulare Grüne spielte.

Werner Hager

Verwandte Artikel