Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung – Für ein säkulares statt göttlichem Recht

Positionierung von Diana Siebert (Sprecherin Säkulare Grüne NRW), Werner Hager (Sprecher Säkulare Grüne NRW) und Fatos Aytulun (Vorsitzende der Arbeitsgemeischaft Sozialdemokratischer Frauen Köln) vom 11. September 2014. Der Text entstand im Vorfeld der Aktuellen Stunde im Landtag NRW zum Umgang mit der „Scharia-Police“ in Wuppertal.

Die Debatte über Scharia-Recht wurde von einer Gruppe junger Salafisten in Wuppertal eröffnet.

Die Regierung reagierte scharf: Gegen die „Schariah-Police“ will Kanzlerin Merkel vorgehen, Landesinnenminister Jäger will direkt ein Verbot und lässt die „Schariah-Police“-Westen beschlagnahmen, Wolfgang Bosbach kündigt neue Gesetze an.

Die Schärfe der Reaktionen ist angemessen, insofern es sich um Vorfeldorganisationen des Islamischen Staates handelt. Dennoch orientiert sich die Reaktion zu stark an Strafrecht und Staatshandeln.
Sie richtet sich auch nur gegen die Spitze eines Eisberges, alleine die salafistische Aktivenszene in NRW umfasst über 1500 Menschen.

Gesellschaftlich steht die Beschäftigung damit aus, was diese Gesellschaft tolerieren kann und was nicht. Eine mögliche Konkurrenz zum liberalen und säkularen Recht durch ein schariatisches Rechtssystem wird parteiübergreifend sowie von breiten Mehrheiten der Bevölkerung abgelehnt.

Die strafrechtliche Ebene des Vorfalls in Wuppertal ist durchaus übersichtlich. Interessanter ist die gesellschaftliche Dimension: Wie kann verhindert werden, dass Menschen ihr Vertrauen in das verfassungsmäßige Recht und nicht in tradierte Rechtsvorstellungen setzen? Wie können die hier hinter stehenden Nationalismen und Politisierungen der Religion geächtet werden?

Wichtige Prinzipien wie ein individualisiertes Recht – beruhend auf den Kinder- und Menschenrechten – für alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder ethnischer Herkunft müssen von der Gesellschaft immer wieder neu debattiert und durchgesetzt werden. Ein Bedürfnis hierzu besteht: Die Reaktionen fielen auch deshalb so heftig aus, da niemand in dieser Gesellschaft Lust hat, sich drangsalieren zu lassen. Wir müssen diese Debatte aber führen, ansonsten werden Rechte die Situation nutzen und Angst vor dem Fremden schüren.

Die Anerkennung von Recht ist eine sehr praktische Angelegenheit. Vertraut wird dem, was verstanden wird und sich bewährt. Recht und auch das Grundgesetz müssen gelebt, diskutiert und auch weiterentwickelt werden. Demokratie wird den Menschen nicht in die Wiege gelegt, sondern muss bereits als Kind erlernt und gelebt werden.

Gerade bei der eindeutigen Positionierung zum „einen Recht für Alle“ ist das Grundgesetz aber historisch durch eine Reihe religiöser Privilegien und Sonderrechte durchlöchert. Ebenso die Landesverfassungen.

Eine pluralistische Gesellschaft, in der die Individuen frei und selbstbestimmt leben können, braucht eine solide verfassungsrechtliche Grundlage.

Wir sagen Nein zu Nationalismus und Politisierung der Religionen und fordern:
– Keine Toleranz gegenüber Vorfeldorganisation der aktuellen Barbarei im Nahen und Mittleren Osten
– ein klares Bekenntnis von Parteien und Religionsgemeinschaften zu
säkularen und liberalen Rechtsprinzipien
– ein klares Bekenntnis zu individuellen Grund- und Menschenrechten
– eine Reform des Religionsverfassungsrechtes auf Bundes- und Landesebene
– eine Beteiligung auch Aller an der Gesellschaft
– die Sicherstellung von freier und selbstbestimmter Persönlichkeitsentfaltung von Kindern und Jugendlichen
– Förderung von Angeboten für Kinder und Jugendliche im Bereich der Aufklärung, der politischen sowie kulturellen Bildung
– eine liberale Zivilgesellschaft, die sich Nationalismus und
Politisierung der Religionen entgegenstellt
– Politische Lösungen für gesellschaftliche Probleme

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