Thesen zum Laumann-Papier

AutorInnen: Gisela Weih, Werner Hager

Thesen zum Laumann-Papier

Menschen im Sozialen Bereich leisten eine wesentliche Arbeit für die Gesellschaft. Diese engagierte Arbeit verdient Wertschätzung durch hohe Löhne, hohe Sozialstandards und starke ArbeitnehmerInnenrechte.

Der Antrag der CDU-Fraktion (Drucksache 16/2632 vom 16.04.2013) ist eine Gelegenheit, unsere gänzlich andere Einschätzung des sog. kirchlichen Arbeitsrechtes deutlich zu machen.

Das kirchliche Arbeitsrecht ist weder im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch ist es gesellschaftlich sinnvoll, denn es spaltet einen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den gesellschaftlichen Aushandlungsmechanismen ab. Zudem liegt eine Praxis systematischer Verletzungen ansonsten anerkannter Grundrechte derselben vor.

Kirchen vertreten die Arbeitgeberseite – also sind sie Tarifpartei

Die Regelungen des sog. Dritten Weges garantieren Menschen, die im kirchlichen Bereich tätig sind, leider nicht die Rechte, die in anderen Bereichen erkämpft wurden. Hintergrund ist die illusionäre Vorstellung, Kirchen stünden außerhalb der Konflikte um Arbeit und Kapital, Regelungen könnten konsensual erfolgen.1 Damit wird eine große Gruppe lohnabhängiger Beschäftigter scheinbar aus den gesellschaftlichen Konflikten herausgehalten. Tatsächlich wird dadurch die Arbeitgeberseite gestärkt. In Zeiten knapper Kassen rächt sich dies für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.2

Subjektiv bieten kirchliche Träger ihren Angestellten einen höheren Schutz und teils bessere Arbeitsbedingungen. Dieser Zustand wird durch eine Art Schicksalsgemeinschaft erreicht. Ein mindestens genauso hohes Niveau können aber auch Betriebsräte erkämpfen und nehmen zudem an den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen teil. Hierfür müssen nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen. Denn letztlich müssen diese ihre Rechte erstreiten, auch wenn die Politik Rahmenbedingungen hierfür schaffen kann.

Christinnen und Christen müssen ihre Vorstellungen von Freiheit und Gerechtigkeit in aktive Betriebsratsarbeit umsetzen. Altruismus kann nicht als Ersatz gelten für die Erkämpfung guter Löhne und eine gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen. Dieses Bewußtsein wollen wir rechtzeitig schaffen.

Unsere Zielvorstellung ist eine Stärkung der Rechte der Beschäftigten in diesem Sektor. Dabei soll das Niveau des allgemein gültigen Arbeitsrechtes erreicht und somit der Dritte Weg überflüssig werden. Gesellschaftlich ist es wünschenswert, dass sich alle Beschäftigten der Sparten jeweils in einem Tarifvertrag finden. Wir fordern einen Flächentarifvertrag Öffentlicher Dienst.

Der schwächere Tarifpartner kann auf das Streikrecht nicht verzichten

Jobs im sozialen Bereich sind Jobs, die Menschen immer auch machen, um von diesen zu leben, auch um ihre Angehörigen und ggf. Kinder versorgen zu können. Diese Bedeutung ist nicht durch Gotteslohn ersetzbar bzw. durch den Verweis auf Gotteslohn bestreitbar. Daher sind Arbeitsrechte Teil der unverhandelbaren Grundrechte.3

Freiheit der Persönlichkeit braucht Kündigungsschutz

Die Inanspruchnahme des Rechtes, zu heiraten, sich scheiden zu lassen und die Religion zu wechseln muss Beschäftigten erlaubt sein.4 Auch die gesellschaftlich notwendige Ausübung des Rechtes auf politische Betätigung muss geschützt werden.

Das Tendenzrecht sollte hierbei genauso behutsam eingesetzt werden, wie bei anderen Verbänden sowie den Parteien auch. Das Recht, festzulegen, wer diesem unterliegt, sollte beim Staat, nicht bei den Religionsgemeinschaften liegen.

Fazit:

  • Wir wollen das kirchliche Arbeitsrecht in das reguläre Arbeitsrecht überführen. Hierdurch soll die Verhandlungsmacht und damit Situation aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowohl kollektiv wie auch individuell gestärkt werden.
  • Für einen derartigen Umbau müssen wir die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, indem wir ihnen aufzeigen, wie sich durch diesen Umbau ihre Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern lassen.
  • Recht und insbesondere Grundrechte sollen für alle gelten. Kirchliche Enklaven mit eingeschränkten Freiheitsrechten darf es in einer modernen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts nicht geben.
  • Im Weinberg des Herren werden Trauben gelesen. Dies ist Arbeit im Hier und Jetzt und nicht Gottesdienst für Gotteslohn.

1 Hieraus folgt auch die Bezeichnung „Dritter Weg“. Unter dem „Zweiten Weg“ wird die Lohnfindung durch Verhandlungen verstanden. Unter dem „Erste Weg“ die Festsetzung durch den Arbeitgeber.

2 In der Bonner Republik flossen beachtliche Geldmittel in Richtung gerade der kirchlichen Träger, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern höhere Löhne und Abeitsbedingungen als die übrigen Träger bieten konnten. Mittlerweile konkurrieren die Träger jedoch in einem scharfen Wettbewerb untereinander und machen kaum Gewinn, der diesen Spielraum bietet.

3 Das im CDU-Antrag bemühte Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg des Herren:

Denn auch wenn keine andere gesellschaftliche Gruppe so viel freiwilliges Ehrenamt mobilisieren kann wie die Kirchen, führt der vielfältige Dienst am Nächsten dazu, dass sie auch Mitarbeiter beschäftigen müssen, die nach eigenem Selbstverständnis vielleicht sehr viel eher Arbeitnehmer zum Verdienst ihres und ihrer Familien Lebensunterhalts sind als Arbeiter im Weinberg Gottes. “

kritisiert die kirchlichen ArbeitnehmerInnen, die eben nicht wie die Arbeiter des Gleichnisses bereit sind, nur das lebensnotwendige zu erhalten. Im Gleichnis erhalten alle Arbeiter des Weinberges am Schluß – unabhängig von ihrer Arbeitszeit – genau einen Denar, also einen Tageslohn. Aber wer definiert, was der Denar des Gleichnisses heutzutage wert ist?

4 Der – entgegen dem Anschein – recht neue Begriff der Dienstgemeinschaft ist im übrigen keine Überrest des Mittelalters, sondern erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts etabliert, zu einem Zeitpunkt, als die Dienstboten bereits verschwanden. Der Begriff transportiert aber genau die Rechtlosigkeit, nicht über eigene Beziehungen frei entscheiden zu können, ohne von der Kündigung bedroht zu sein. An dieser Stelle hält die Kirche ein von ihren eigenen Gläubigen längst nicht mehr geteiltes Ideal hoch. Das Papier der CDU sieht dies anders:
„Diese Besonderheiten gilt es aber von staatlicher Seite her zu respektieren, um den Kirchen 
die Möglichkeit zu belassen, ihre Tätigkeit in der Gesellschaft aus der eigenen Überzeugung heraus glaubwürdig wahrzunehmen.“ 

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