Zur Religionsverfassungskommission

Thesenpapier Teil A Werner Hager, 25.11.

Unser Anliegen:

Als Säkulare Grüne treten wir für säkulare Antworten auf religionspolitische Fragen ein. Wir halten Säkularität für ein hohes Gut, welches für ein Leben nicht nur in Frieden, sondern auch in Freiheit für Menschen mit und ohne religiösem Bekenntnis notwendig ist. Ein Religionspluralismus, der eine Äquidistanz zu allen möglichen Religionsgemeinschaften herstellt, opfert diesem Frieden die individuellen Rechte und verletzt insbesondere die Rechte Konfessionsloser.

Was heißt Säkular:

Säkular ist das Gegenwort zu klerikal. Dass bestimmte Bereiche des Lebens eben nicht dem klerikalen angehören, darüber sind wir uns mit zumindestens allen Christinnen und Christen durchaus einig. Institutionen wie das Recht, die Sprache oder auch der Staat sollten für uns eben säkular ein, sich in keinem bzw. in einem neutralen Verhältnis zur Religion befinden. Der Staat sollte Religionsgemeinschaften zwar kennen, aber eben als Vereinigungen unter vielen anderen, nicht als besondere. Er sollte Religionen weder im Besonderen fördern noch diskriminieren. Religionszugehörigkeit oder Amt innerhalb einer Religionsgemeinschaft sollten sich nicht darauf auswirken, ob Menschen staatliche Ämter ausüben können oder nicht. Staatliches Geld sollte strikt von den Religionsgemeinschaften getrennt sein. Für seine Verwendung gelten Regelungen, die auch von religiösen EmpfängerInnen z.B. von Kulturförderung beachtet werden müssen. Die Tatsache, dass eine Organisation Religionsgemeinschaft ist, ist nicht per se ein Förderungsgrund.

Die Sinnfrage:

Eine moderne Gesellschaft ist eine Gesellschaft im Wandel. Vormoderne Gesellschaften wurden durch hingegen durch Traditionen und Gemeinschaften integriert. Das moderne autonome Subjekt als Träger von Grundrechten, als Citoyen, der fähig ist, nicht nur das eigene Leben zu führen, sondern auch politisch tätig zu sein und dies in der Regel auch tut, ist notwendig für eine Gesellschaft mündiger Menschen, die sich selbst einen Gesellschaftsvertrag geben, der wiederum grundlegende Bedürfnisse und Rechte beachtet und sich damit reflektiert ein eigenes universelles Wertemuster gibt. Religionen sind nur in konservativen Lesarten traditionell bestimmt. Moderne ChristInnen beispielsweise beteiligen sich an Republik und Demokratie und haben längst aufgehört, einen christlichen Staat zu fordern.

Der Verfassungsrichter Böckenförde formulierte noch vor dem Zweiten Vatikanum, dass der freiheitliche Staat Grundlagen benötige, die er selbst nicht garantieren könne. Dem ist durchaus zuzustimmen. Im übrigen betreiben auch wir Grüne einen gesellschaftlichenPolitikansatz. Nicht zuzustimmen ist jedoch dem Versuch – hier sogar gegen den Willen des Autors – dies so zu interpretieren, Religionsgemeinschaften seien die notwendige Quelle. Institutionen können überhaupt keinen Sinn stiften. Dies können nur Menschen mit ihren Erfahrungen und ihrer Fähigkeit, die eigene Position in Natur und Gesellschaft zu reflektieren und Ziele zu formulieren.

Die Situation in Deutschland:

Das föderale Politische System der Bundesrepublik beinhaltet einen Bundesstaat, der zwar keine Verfassung, dafür aber ein Grundgesetz hat, welches in der Tradition der Weimarer Verfassung Hugo Preuß auf einem durchaus säkularen Grundentwurf aufbaut, der zudem nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus mit starken und einklagbaren individuellen Grundrechten ausgestattet wurde.

Ähnlich der Weimarer Verfassung konnten die Verfassungsväter und -mütter sich in religionspolitischen Fragen nicht einigen und inkorporierten die Weimarer Kompromisse in Artikel 140 des Grundgesetzes. Die konservative Adenauerzeit erzeugte dann leider eine konservative und äußerst kirchenfreundliche Lesart, die die Weimarer Bestimmungen absurd weit ausdehnte und durch eine Kopplung mit Artikel 4 gar das Selbstorganisationsrecht der Religionsgemeinschaften in ein grundrechtsgleiches Recht ausdehnte. Dieser Prozess fand im übrigen fast ausschließlich in der Verfassungsinterpretation statt. Während der Text des Grundgesetzes auf einem bis auf den auch auch sprachlich herausfallenden Artikel 140 für Säkulare wenig Änderungsbedarf bietet, sind viele Landesverfassungen stark religiös geprägt, einige sogar als christliche Staaten. Hier sehen wir deutlichen Änderungsbedarf.

Die Privilegien der Kirchen entstammen mehr als den Verfassungen jedoch den strukturellen Förderungen durch die Adenauer-Regierung und der damaligen Verbänderepublik. Diese sind aber vielfach durch einfache Bundesgesetze aufhebbbar.

Handlungsdruck:

Die Bundesrepublik bestand zu ihrer Gründung aus Gebieten mit teils katholischer, teils evangelischer Mehrheit. Heutzutage ist derNormalfall vielmehr eine Pluralität von Menschen mit und ohne Bekenntnis, mit und ohne formale Zugehörigkeit zu einer immer größer werdenden Vielfalt von Religionsgemeinschaften. Die bestehende Religionsverfassung, die wir als „hinkende Trennung“ bezeichnen und die wir kritisieren, weil sie in ihrer Wirkung eben nicht säkular ist, ist zudem nicht auf diesen Wandel vorbereitet.

Während traditionell-konservative Kreise jede Änderung bekämpfen, hier aber absehbar an gesellschaftlichem Rückhalt verlieren, werden durch religionspluralistische Ansätze Vorrechte auch für die anderen Religionsgemeinschaften gefordert. Wir wollen aber nicht noch mehr Einschränkungen der Grundrechte, auch wenn wir nachvollziehen können, dass sich Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften als der christlichen so diskriminiert fühlen. Wir wollen gar keine Vorrechte und die Situation beeenden, dass durch Staatsverträge und Verfassungsänderungen laufend weitere Vorrechte geschaffen, aber nie solche abgeschafft werden.

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