Manuskript der Rede Berivan Aymaz am Sa. 21.11.2015 zum Antrag „Für Frieden und Freiheit in der Türkei“ auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Halle.
„Als wir am 9. Oktober fristgerecht unseren V-Antrag für Frieden und Freiheit in der Türkei einreichten, befand sich diese zum zweiten Mal innerhalb desselben Jahres im Wahlkampf.
Wir ahnten nicht, dass sich wenige Stunden später eines der grausamsten Attentate der türkischen Geschichte ereignen sollte.
Über 100 Menschen, die dem Aufruf von Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Jugendverbänden, Linken und liberalen Gruppen zu Frieden gefolgt waren, wurden durch Selbstmordanschläge aus dem Leben gerissen. Mehrere Hundert wurden schwer verletzt.
Dieser Anschlag war die Spitze der Gewalt, die sich überwiegend gegen die Bündnispartei HDP richtete, in der auch unsere türkische Schwesterpartei Yesiller ve Sol Gelecek beteiligt ist und die wir, wie auch andere europäische Grüne Parteien bei ihrem Wahlkampf unterstützten.
Der Anschlag in Ankara, aber auch die zahlreichen weiteren Übergriffe auf die HDP, die Zerstörung ihrer 190 Parteibüros, die massenhaften Festnahmen ihrer Mitglieder und der unermüdliche Einsatz der HDP – mit viel Mut im Bauch – sich deutlich für Frieden und Freiheit einzusetzen, bestätigt, dass unsere Entscheidung gut und richtig war.
Gestern wurde vielfach auf die besondere Rolle der Türkei hingewiesen.
Ja, wir brauchen die Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage,
ja, wir brauchen die Türkei im Kampf gegen den islamistischen Terror,
aber diese Zusammenarbeite wird es für uns nicht auf Kosten der Menschenrechte und Freiheit geben.
Es ist ein Skandal, dass Bundeskanzlerin Merkel kurz vor den Wahlen in der Türkei, die von Gewalt und Repression gegen die Opposition und die unabhängige Presse begleitet waren, Erdogan als Wahlkampfstütze diente.
Und es ist ein Skandal, dass die europäische Kommission den Fortschrittsbereicht zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, der – wie wir heute wissen- eher einen Rückschrittsbericht darstellt, nicht fristgerecht veröffentlichte, um der AKP in ihrem Wahlkampf keinen Schaden zuzufügen.
Die Entwicklungen in den Magrebstaaten, nach den arabischen Frühlingen, die Entwicklungen in Syrien, haben uns doch gezeigt, dass eine kurzsichtige interessengeleitete Politik auf Kosten von Menschenrechten, keine Lösungsansätze bieten kann. Sie führen nur zu mehr Problemen.
Wir brauchen demokratische Bündnispartner in der Türkei, mit denen wir gemeinsam für die Beendigung des zermürbenden türkisch-kurdischen Konflikts eintreten.
Wir brauchen Bündnispartner für eine ökologische Politik und gegen den Wahnsinn Erdogans, AKWs zu errichten.
Wir brauchen BündnispartnerInnen für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik auch in der Türkei, damit die Geflüchteten dort eine Perspektive haben und sich nicht mit Schlauchbooten unter Lebensgefahr auf weitere Flucht begeben müssen.
Ich bitte Euch, dem V-Antrag zuzustimmen.“
Der Antrag wurde ohne Gegenstimmen angenommen.
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