Eine hitzige Debatte hätte es werden können angesichts von Temperaturen über 30 Grad. Letztlich wurde es eine leidenschaftliche Diskussion über das Verhältnis von Staat und Religion anhand aktueller politischer Debatten, die beim „Grünen Salon“ am vergangenen Mittwoch im Kunstcafé Einblick geführt wurde. Der Grüne Stadtverband konnte drei fachkundige Gäste begrüßen, die sich selbst seit Jahren mit dem Thema befassen. Der Staatsrechtler Professor Martin Morlok von der Universität Düsseldorf war als juristischer Experte zu Gast. Die Grüne Bundestagsabgeordnete Katja Dörner aus Bonn ist Mitverfasserin des alternativen Gesetzentwurfs zur Beschneidung, der im vergangenen Jahr im Parlament beraten wurde. Dr. Rahim Schmidt reiste aus Rheinland-Pfalz an. Der Grüne Landtagsabgeordnete und Allgemeinmediziner hat die Gruppe der „Säkularen Grünen“ mit gegründet.
Zunächst wurde die Debatte um die Beschneidung von Säuglingen, die im vergangenen Jahr in der Politik geführt wurde aufgegriffen. Katja Dörner hatte damals einen alternativen Gesetzentwurf mit erarbeitet und erläuterte das nun beschlossene Prozedere, das aus ihrer Sicht jedoch einen schweren Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht von Kindern darstelle. Martin Morlok beschrieb kritische Aspekte des Themas und forderte, auch unter Beachtung der ausgeübten Religionsfreiheit altbewährte religiöse Traditionen zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu bewerten. In diese Richtung argumentierte auch Rahim Schmidt und fragte, ob alle religiösen Bräuche im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß seien. In der Beschneidungsdebatte stehe für ihn als Arzt die Unversehrtheit des Kindes an erster Stelle und verwies er auf die ablehnenden Stellungnahmen verschiedener ärztlicher Fachgesellschaften zum Thema.
In wie weit in der Bundesrepublik ein säkulares staatliches System existiert, wurde anhand verschiedener Beispiele diskutiert. Heutzutage müssten sich Religionsgemeinschaften einem kritischen Dialog stellen, viele Dinge seien nicht mehr zeitgemäß, so Rahim Schmidt. Der Staatsrechtler Martin Morlok stellte die historische Entwicklung dar, dass der Staat aufgrund nahezu 100 Jahre alter Verträge finanzielle Leistungen an Religionsgemeinschaften zahle und derzeit im Bundestag Änderungen dieser Praxis diskutiert werden. Katja Dörner forderte Transparenz der finanziellen Verflechtungen von Staat und Kirchen, aber auch in anderen Bereichen. So seien Bekenntnisschulen in vielen Bundesländern abgeschafft worden, in Nordrhein-Westfalen allerdings noch nicht. Diese Schulen seien zu 100% aus der öffentlichen Hand finanziert, über die Aufnahme von Schülern sowie arbeitsrechtliche Aspekte bei den Lehrkräften werden jedoch häufig aus konfessioneller Sicht beurteilt und Menschen benachteiligt. Hier herrschte Einigkeit auf dem Podium, diese Schulform abzuschaffen. Auch beim Arbeitsrecht gebe es Benachteiligungen in konfessionellen Einrichtungen, zum Beispiel beim Streikrecht oder für Personen ohne konfessionelle Bindungen. Auch wenn in der Grünen Partei unterschiedliche Auffassungen zu Änderungen des kirchlichen Arbeitsrechts bestünden, so forderte Katja Dörner, Antidiskriminierungsrechte auch auf kirchliche Arbeitgeber auszuweiten und das kollektive Arbeitsrecht einzuführen, insbesondere ein Streikrecht für Arbeitnehmer.
Nach einer sachlichen Diskussion mit dem Publikum warben alle Referenten für eine kritische Debatte zum Thema Säkularer Staat. Professor Morlok stellte erneut die Religionsfreiheit heraus und sagte: „Gesellschaftliche Pluralität lebt auch von starken Bekenntnissen“. Katja Dörner forderte erneut Transparenz, um die Bürger über die Verflechtungen von Staat und Kirche zu informieren und dies auf den Prüfstand zu stellen.
Bei Rückfragen: Christian Gaumitz
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