Verbote verbieten und Repressive Toleranz diskriminieren – zur Debatte über das Burkaverbot

Debattenbeitrag Werner Hager 7.12.2014

Über die Burka wird patriarchiale Herrschaft ausgeübt. Wer hier nach Toleranz oder „Respekt“ ruft, der hat sich von einem an Emanzipation orientierten Politik- oder überhaupt Lebensansatz verabschiedet.

Hieraus folgt allerdings noch nicht, dass mit dem Strafgesetz Politik gemacht werden soll. Wie mensch zum Strafgesetz steht, ist Sache seiner politischen Grundeinstellung, ein gesellschaftlicher Konsens wird hierzu schwach bleiben.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat klargestellt, dass die französische Republik ein Burkaverbot erlassen kann. Bei dem Urteil ist mir wichtig, dass es eben Aufgabe der politischen Willensbildung ist, über derart politische Fragen zu entscheiden. Die Burka ist vereinzelt kein Gegenstand der Politik, reine Frage der individuellen Handlungsfreiheit. Wann eine kollektive Handlungsweise zu einer politischen Handlung wird, ist selbst wiederum politisch umstritten und wird gesellschaftlich verhandelt werden müssen. Dies kann und darf Rechtsdogmatik nicht ruhigstellen. Das Burkaverbot ist eine jedoch laizistische Maßnahme. Der Staat positioniert sich hier zu einer religiös motivierten Handlungsweise, verhält sich nicht säkular. Aus säkularer Sicht ist dies ein Handeln im Notstand.

In Deutschland sind Burkaträgerinnen glücklicherweise auftretende Einzelfälle. Insofern ist zwar eine Debatte durchaus angemessen, für laizistische Maßnahmen besteht jedoch kein Grund. Grund besteht jedoch, sich vom Standpunkt einer säkularen liberalen Republik Gedanken darüber zu machen, wie weit die Burka dieses Staatsverständnis in Frage stellt.

Bürger*innen und teils auch Einwohner*innen in einer Republik verfügen über Rechte, aber auch Pflichten. Pflichten wie Schulpflicht, geloste Ämter, Erscheinen vor Gericht, Beantragung von Ausweisen usw. sind mit Anwesenheit und Identifizierbarkeit verbunden. Hier wird die politische Auseinandersetzung beginnen.

Wie weit ein Gemeinwesen auf der formalen Einhaltung der Gesetze errichtbar ist, wie weit Bürger*innen den Gesellschaftsvertrag teilen müssen oder verbindliche Werte  von Bildungssystem und Medien vermittelt werden müssen, ist ebenfalls Teil der politischen Auseinandersetzung.

Faktisch wird die Debatte so geführt werden, dass Vermummung im öffentlichen Raum sowie im engeren staatlichen Raum neu geregelt wird. Bisherige Regelungen versuchten hier einer Konfrontation aus dem Wege zu gehen. Anhänger*innen der Burka können also darauf verweisen, dass burkaunkonforme Regelungen ein Abweichen von der bisherigen Praxis darstellen und werden sich diskriminiert fühlen. Die Gegner*innen des Systems Burka werden sich auch selbst gegenüber zugeben müssen, dass Diskriminierungen notwendig sind, Kriminalisierungen der Burkaträger*innen hingegen nicht.

Allerdings wird erst einmal der intellektuelle Kampf gewonnen werden müssen. An nordrhein-westfälischen Universitäten wird immer noch viel Judith Butler gelesen. Diese tritt für das Recht von Burkaträgerinnen ein, sich im öffentlichen Raum bewegen zu dürfen, nur so könne die „kulturimperialistische Ausbeutung des Feminismus“ gestoppt werden.

Insofern ist die aktuelle Frage: Sollen Universitäten Burkas in Vorlesungen und Prüfungen akzeptieren?

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