Weiterentwicklung der Schule in NRW

Gastbeitrag Werner Hager vom 9.9.2017 bei Pro Ethik NRW

Eine interkulturelle Gesellschaft braucht Politische Bildung, ein klares säkulares Profil und Emanzipation als Bildungsziel

Als säkulare Grüne sind wir nicht erst aufgrund der Zuwanderung dieser Auffassung, allerdings können in der neuen Situation immer weniger Grundlagen vorausgesetzt werden und der Handlungsdruck hat sich soweit verstärkt, dass nun endlich offen darüber geredet wird, wie eine Gesellschaft ihre Bildung gestalten soll und welches Bild sie sich auch von sich selbst machen will.

Wer nach Europa kommt, hat häufig das Bild säkularer Republiken, in denen aufgeklärte Menschen auf Basis eines Menschenrechtskonsenses in einer Zone des Rechtes leben. So jedenfalls verkauft sich die Europäische Union nach Außen. Und so hätten wir gerne tatsächlich auch die Gesellschaft in Europa. Und ein Bildungssystem, welches diese erzeugt.

Allerdings findet sich in diesem Land neben einer Reihe religiöser Privatschulen auch noch der Anachronismus von Konfessionsschulen. Und selbst beim Wählen einer nicht den Religionsgemeinschaften zugeordneten öffentlichen Schule – der Gemeinschaftsschule – erweist sich diese in NRW auf den zweiten Blick als christliche Gemeinschaftsschule, nicht etwa als bekenntnisfrei. Die grundsätzlich im Grundgesetz möglichen Bekenntnisfreien Schulen wurden – anders als in der Weimarer Republik – nie Wirklichkeit, es fehlen alle einfachgesetzlichen Vorbedingungen, um eine derartige Schule zu gründen oder eine Schulumwandlung in eine derartige Schulform durchzuführen.

Wer sein Kind an einer Schule anmeldet, erlebt die Nichtwahl einer Teilnahme seines Kindes am Religionsunterricht als Ausnahme, wird vielfach nicht einmal über diese Möglichkeit informiert. Dies gilt es zu ändern. Gerade auch gegenüber Flüchtlingen, bei denen Kinder und Eltern häufig nach einem massiven Druck zum Übertritt zu einer christlichen Kirche, nach Unterbringung in christlichen Einrichtungen dann den Besuch einer christlichen Schule mit einem Religionsunterricht unterzeichnen sollen.

Hier fordern die Grünen in NRW auch bereits eine bessere Information der Eltern und religionsmündigen Kinder und Jugendlichen und eine klare Kennzeichnung, dass die Wahl des Religionsunterrichtes eine Option ist. Wir sollten aber auch klar stellen, dass Ethik nicht Aufgabe des Religionsunterrichtes ist, sondern des Bildungssystems insgesamt. Menschen, die keinen Religionsunterricht besuchten, sind auch keine zu hütenden Heiden, sondern haben mit ihren Klassenkamerad*innen zusammen den Anspruch, die gesellschaftlich relevanten Ethiken und ihre Grundlagen zu lernen.

Die Grundlagen ethischer Entscheidungen müssen reflektiert werden. Dies geht nur auf Basis einer fundierten philosophischen Grundlage und einer erfolgreichen Persönlichkeitsbildung

Die Säkularen Grünen NRW fordern daher ein verpflichtendes ordentliches Schulfach, in dem Ethik und die Kenntnis der zugrundeliegenden philosophischen und theologischen Grundlagen vermittelt werden. Insgesamt ist es Aufgabe des Bildungssystems, eine Persönlichkeitsbildung vorzunehmen. Religiöse Bildungsangebote dürfen dies ergänzen, aber nie ersetzen.

Eine Schule für Alle als eine integrative Schule kann keine Konfessionsschule sein. Sie kann auch keine Schule sein, in der Kinder erleben, wie sie nach Konfessionen getrennt einen Religionsunterricht besuchen sollen.

Die Qualität des bestehenden Religionsunterrichtes fällt sehr unterschiedlich aus. Aber das gefährlichste an ihm ist, dass Kinder erleben, dass eine staatliche Einrichtung oder im Falle von Privatschule eine Einrichtung, zu deren Besuch die staatliche Schulpflicht verpflichtet, religiös begründet eine Ungleichbehandlung akzeptiert. Es geht hier nicht darum, Kinder von Religionen fernzuhalten, aber eben vom religiös begründeten Exzeptionalismus.

Auch inhaltlich wird sich einiges ändern müssen: Geschichts- und Erdkundeunterricht müssen die eigene Situation auch für Zugewanderte und Flüchtlinge verständlich machen. Der Geschichts-und Politikunterricht darf nichts voraussetzen und muss auf Basis der schon geforderten ethischen Grundlagen eine Debatte über politische Systeme, insbesondere die Deutschlands und der Europäischen Union führen. Er muss relevante Phänomene der Moderne und ihrer Opponenten klären, darf sich auch Debatten über komplexe Phänomene der heutigen Gesellschaft wie Kapital, Staat, Weltmarkt oder Antisemitismus nicht verweigern, muss die Vielfalt der wissenschaftlichen Methoden lehren und muss Kinder und Jugendliche dazu bewegen, über Positionen für die Zukunft ihrer Gesellschaft und gleichzeitig ihre eigenen Wünschen mündlich wie schriftlich argumentieren zu können.

Solange dies nicht umgesetzt ist und kritisches Denken nicht insgesamt methodisch verankert ist, benötigen das Bildungssystem eine Kampagne gegen Verschwörungstheorien und Totschlagargumente sowie den Verfall in einfache Dichotomien.

All dies wird das bestehende Bildungssystem mit seiner jetzigen Mittelausstattung nicht leisten. Hier aber nicht zu investieren wird die Erneuerungsfähigkeit der Gesellschaft über ihr Limit heraus belasten. Die Aufgabe der Ausstattung der Schulen mit Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen, Pädagog*innen und aktuellem Unterrichtmaterial muss als endlich vorrangige staatliche Aufgabe angesehen werden. Es ist auch unverständlich, dass hierfür nicht genügend Geld zur Verfügung steht, die aber demographisch immer weniger Erben in der Bundesrepublik für gigantische vererbte Vermögenswerte kaum Erbschaftssteuer abführen.

veröffentlicht auf https://proethiknrw.wordpress.com/2017/08/09/weiterentwicklung-schule/#more-392

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