Zum Freitod

Debattenbeitrag Werner Hager

Über das Ende des eigenen Lebens zu entscheiden, ist faktisch Sache des Einzelnen. Dies heißt nicht, dass eine Gesellschaft nicht darüber diskutieren soll, wenn Menschen beschließen, frühzeitig ihr Leben zu beenden. Eine Dunkelziffer kann hier massive gesellschaftliche Missstände verbergen.

Die Frage ist aber dennoch, ob der Staat den freien Tod bewerten soll. Wird der Freitod als Selbstmord tituliert, so positioniert er sich eindeutig.

Die Frage, ob ein Mensch weiterleben will, macht einen Konflikt zwischen der Forderung nach einer autonomen Persönlichkeit und einem Selbstwert menschlichen Lebens auf. Greift der Staat hier ein, so treibt er Bevölkerungspolitik. Bevölkerungspolitik geht jedoch nicht von den bewussten Entscheidungen der Einzelnen aus, sondern entweder zweckrational aus dem Besten der Nation oder traditionell aus überlieferten meist religiösen
Moralvorstellungen.

Eine säkulare Position würde fordern, dass religiöse Begründungen bei der Beurteilung einer Selbsttötung keine Rolle spielen dürfen. Doch besser wäre es, wenn der Staat schlicht und ergreifend darauf verzichtet, die Entscheidung einzelner über ihren Tod zu beurteilen.

Das Recht auf den freien Tod dem Individuum zu überlassen, heißt allerdings nicht, hierbei unterschiedslos Minderjährige oder weniger über das Leben an sich sondern eher dessen Umstände verweifelte Menschen in den Suizid laufen zu lassen. Oder auf der anderen Seite nicht zu verurteilen, wenn beispielsweise ZugfahrerInnen schwere psychologische Schäden davon tragen.

Die Frage der Sterbehilfe ist hiervon noch einmal gesondert zu bearbeiten.

Als Debattenbeiträge zu diesem Thema sind Werke von Camut, Sarte oder Amery einschlägig. Für den Existentialismus war die Debatte des Freitodes eine der letzten Fragen menschlicher Würde und eine heutige Debatte über dieses Thema darf ihre Argumente nicht überhören. Die Entscheidung zum Freitod durch André Gorz zusammen mit seiner Frau vor wenigen Jahren haben die Debatte auch zu einem Thema innerhalb der linken und ökologischen Bewegungen gemacht.

Forderungen:

– Die Entscheidung über den eigenen Tod ist Sache des einzelnen Individuums
– Der Staat soll aufhören, den freien Tod zu bewerten
– Über Tod und seine Hintergründe muss offen gesellschaftlich geredet werden

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