„Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt“ — im säkularen Staat haben Kirchen keine Kompetenzkompetenz

Die Säkularen Grünen NRW fordern „Ein Recht für Alle“. Religiöse Sonderrechte soll es zukünftig nicht mehr geben, die eigene Gesetzgebung von Religionsgemeinschaften ist eine reine Binnenangelegenheit der Religionsgemeinschaften.

In der Bonner und der Berliner Republik wird den beiden großen Religionsgemeinschaften eine Kompetenzkompetenz zugestanden, sich selbst Rechte zu geben, die eine Parallelgesetzgebung beispielsweise zum Allgemeinen Arbeitsrecht oder auch Datenschutzrecht darstellen.

Dieser Zustand ist aus Sicht der Säkularisierung ein tatsächlicher Rückschritt hinter die Weimarer Verfassung, in der unter dem Stichwort „Staatsgesetz geht vor Religionsgebot“ der Vorrang säkularen Rechts akzeptiert war.

Dies erfolgte durch die Nichtübernahme des Artikel 135 WRV

„Alle Bewohner des Reiches genießen volle Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die ungestörte Religionsausübung wird durch die Verfassung garantiert und steht unter staatlichem Schutz. Die allgemeinen Staatsgesetze bleiben hiervon unberührt.“

bei gleichzeitiger Übernahme des folgenden Artikel 136ff., insbesondere des Artikel 137.3 WRV

„Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“

Das Selbstverwaltungsrecht wird im Rahmen der herrschenden Verfassungsinterpretation als Selbstbestimmungsrecht gedeutet. Hieraus wird extensiv eine Kompetenzkompetenz gefolgert, also das Recht der Religionsgemeinschaften, selbst definieren zu können, in welchen Bereichen die eigene Gesetzgebung Vorrang vor säkularem staatlichen Recht besitzt, zugestanden.

Als Säkulare Grüne sehen wir weniger ein Problem in der Formulierung des Grundgesetzes als in seiner prokirchlichen und mit einem Grundrechteverständnis unvereinbaren Interpretation.

Emanzipatorische soziale Kämpfe werden sich in den konkreten Sonderrechten bewegen und langfristig zu Forderungen nach Abschaffung dieser Sonderrechte verdichten. Politisch geht es aber im Kern darum, die Kompetenzkompetenz selbst anzugehen.

Eine Möglichkeit wäre hierbei eine Verfassungsänderung, die ähnlich Artikel 135 WRV den Vorrang säkularen Rechtes betont. Aber als Säkulare sollte unser Signal sein, dass die bestehende Grundgesetzinterpretation, nicht ihr Text, Unrecht darstellt und aus ersterer beispielsweise beim kirchlichen Arbeitsrecht eine grundrechtsfeindliche Praxis legitimiert wird. Hinzu kommt die hohe Hürde für Grundgesetzänderungen.

Ein besserer Weg sind insofern einfache Gesetzesänderungen, die Klarheit über den Vorrang säkularen Rechtes formulieren.

Beschluss der MV vom 22.8.2015

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